Preissensibilität und Nachfrage nach Gesundheitsleistungen

Die Universität St. Gallen hat im Auftrag der Groupe Mutuel erstmals für die Schweiz untersucht, ob Versicherte nach Erreichen ihrer Franchise mehr medizinische Leistungen in Anspruch nehmen. Fazit: Das Franchisesystem der obligatorischen Krankenversicherung schafft keine signifikanten finanziellen Fehlanreize für eine medizinische Überversorgung.

VON DER STIFTUNG GROUPE MUTUEL UNTERSTÜZTE STUDIEN

  • Ziel: Die Auswirkungen der Überschreitung der Franchise auf die Inanspruchnahme von medizinischen Leistungen untersuchen.
  • Partner: Lehrstuhl für Gesundheitsökonomie, -Politik und -Management der Universität St. Gallen (Prof. Alexander Geissler)
  • Zeitraum: 2023

Zusammenfassung

Die obligatorische Krankenversicherung in der Schweiz sieht verschiedene Mechanismen zur Kostenbeteiligung der Versicherten vor (Franchisen, Selbstbehalt). Das Franchisesystem gilt als nützliches Instrument zur Schärfung des Kostenbewusstseins der Versicherten. Es steht jedoch auch in der Kritik, da die Kostenbeteiligung die notwendige medizinische Versorgung verzögern oder gar verhindern und, sobald die Franchise aufgebraucht ist, zu einer überdurchschnittlichen Zunahme der in Anspruch genommenen Leistungen führen könnte.

Bisher hat sich jedoch noch keine Studie damit befasst, ob die Überschreitung der Franchise tatsächlich zu einer übermässigen Inanspruchnahme von medizinischen Leistungen führt. Das Ziel dieser Studie ist es, diese Lücke zu schliessen und die Auswirkungen des Aufbrauchens der Franchise auf die Inanspruchnahme von medizinischen Leistungen zu untersuchen.

Die drei Leitfragen der Studie lauten wie folgt:

  • Führt die Überschreitung der Franchise zu einer erhöhten Inanspruchnahme von medizinischen Leistungen durch die Versicherten?
  • Kann in gewissen Versichertenkreisen und bei bestimmten Leistungsgruppen eine Verhaltensänderung festgestellt werden?
  • Hat das Angebot eine Auswirkung auf diese veränderte Inanspruchnahme von medizinischen Leistungen?


Um Antworten auf diese Leitfragen zu finden, haben die Forscher des Lehrstuhls für Gesundheitsökonomie, -Politik und -Management der Universität St. Gallen anonymisierte Daten der Groupe Mutuel analysiert.

Die Studie zeigt, dass nach überschreiten der Franchise überschrittener Franchise die Inanspruchnahme von medizinischen Leistungen zwar zunimmt, diese Zunahme aber (basierend auf den in der Studie beschriebenen Analysen) nicht signifikant ist. Darüber hinaus hat das Angebot an medizinischen Leistungen nach der Überschreitung der Franchise keinen nennenswerten Einfluss auf die Inanspruchnahme der Leistungen. Mit anderen Worten ist in den Regionen mit einer hohen Ärztedichte keine Zunahme der Inanspruchnahme von medizinischen Leistungen zu beobachten.

Die Studie kommt zum Schluss, dass das Franchisesystem bei den Versicherten keine finanziellen Anreize schafft und dass die Dichte an Leistungserbringern nach Erreichen der Franchise zu keiner erhöhten Inanspruchnahme führt. Es kann somit als ein effizientes Mittel zur Kostenaufteilung im Schweizer Gesundheitswesen betrachtet werden.

Das heisst jedoch nicht, dass es nicht weitere Forschungsarbeiten und Debatten zu den Franchisen braucht. So könnte man zum Beispiel mit einer Wiederholung der Studie und der Integration von Krankheitsdiagnosen herausfinden, ob die beobachtete Inanspruchnahme von medizinischen Leistungen auch wirklich zu einer Unter- oder Überversorgung führt. Oder es könnte untersucht werden, ob die derzeitigen Franchisen, angesichts der Tatsache, dass sie seit 2004 für die ordentliche Franchise und seit 2005 für die Wahlfranchisen nicht mehr angepasst wurden, angemessen sind.

Groupe Mutuel

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