Die Voraussetzungen für eine neue Behandlung gegen Endometriose

24. März 2023 | Kommentar(e) |

Christelle Travelletti

Ein junges, in Basel gegründetes Start-up entwickelt derzeit in seinem Labor eine potenzielle neue Behandlung gegen Endometriose. Die Gründer hoffen, in einigen Jahren eine nicht-hormonelle Behandlung auf den Markt bringen zu können. Diese könnte das Leben von Tausenden von Frauen verändern, die an dieser Krankheit leiden. Laut der Schweizerischen Vereinigung S-Endo sind nämlich 1 bis 2 von 10 Frauen davon betroffen. Interview mit Valentina Vongrad, einer der Mitbegründerinnen von FimmCyte

Endometriose – lange Zeit unterdiagnostiziert – ist eine chronische gynäkologische Erkrankung, die sich durch eine Vermehrung von Gewebe äussert, das dem Endometrium (Gebärmutterschleimhaut) ähnelt, sich aber ausserhalb der Gebärmutter entwickelt. Schätzungen zufolge sind 10 bis 20 Prozent der Frauen in der Schweiz davon betroffen, aber aufgrund der Komplexität dieser Krankheit dauert es oft 7 bis 8 Jahre, bis die Frauen eine Diagnose erhalten.

Die Symptome variieren von einer Person zur anderen die häufigsten sind jedoch:

  • Sehr starke Regelschmerzen, die nicht durch die Einnahme klassischer Schmerzmittel wie Paracetamol gelindert werden können.
  • starke Müdigkeit, Unwohlsein
  • Verdauungsstörungen
  • Probleme beim Wasserlassen
  • Fruchtbarkeitsstörungen (40 % der Frauen, die von Endometriose betroffen sind, leiden an Unfruchtbarkeit)
  • Die Endometriose kann auch asymptomatisch sein.

Eine stark einschränkende Krankheit und wenig effiziente Behandlungen

Für die meisten Frauen, die an Endometriose leiden, sind die Schmerzen während ihrer Periode, also mehrere Tage im Monat, vergleichbar mit den Schmerzen von Krebspatienten. Oftmals müssen sie zu Hause im Bett bleiben, was schwer mit ihren beruflichen, sozialen oder sportlichen Aktivitäten vereinbar ist. Die Krankheit erschwert die Bemühungen dieser Frauen, schwanger zu werden, stark, denn die Wahrscheinlichkeit ist gross, dass sie an erheblichen Fruchtbarkeitsstörungen leiden. Die Endometriose hat auch einen starken Einfluss auf die mentale Gesundheit dieser Frauen, denn es ist schwierig für sie, ein normales Leben zu führen.

Heute haben diese Frauen nur 2 Optionen: sich einer Hormonbehandlung zu unterziehen, die sich als wirkungslos oder aber aufgrund der Nebenwirkungen als sehr beschwerlich erweisen kann, oder sich operieren zu lassen, zum Beispiel mittels einer Laparoskopie, um das kranke Gewebe des Endometriums zu entfernen (aber mit einem Risiko von 50 %, dass die Krankheit zurückkehrt), oder einer Hysterektomie, um sich die Gebärmutter entfernen zu lassen. Beide Optionen sind kein Garant für eine Heilung. 

Deshalb arbeitet das Schweizer Start-up FimmCyte, das in Basel gegründet wurde und ein Forschungslabor in Zürich betreibt, zurzeit an einer neuen Behandlung.

1) Groupe Mutuel: Wann und wie ist FimmCyte entstanden?

Valentina Vongrad: Das Start-up FimmCyte wurde im Januar 2022 gegründet, aber unser Projekt hatte bereits im September 2020 gestartet, als wir mit der Professorin Brigitte Lehner, der Leiterin des Departements für Reproduktionsmedizin am Universitätsspital Zürich, zusammengearbeitet hatten.

2) Weshalb interessieren Sie sich besonders für die Endometriose?

Wir hatten bereits seit mehreren Jahren zusammen mit der Mitbegründerin von FimmCyte, Mohaned Shilaih, in der Welt der Frauengesundheit gearbeitet, vor allem in den Bereichen Fruchtbarkeit oder Gebärmutterhalskrebs. Wir hörten also oft von dieser Krankheit. Wir fanden es sehr frustrierend, zu sehen, dass 1 von 10 Frauen davon betroffen ist und man nichts Zufriedenstellendes für sie tun kann. Die Schmerzen, unter denen diese Frauen leiden, sind furchtbar und wir alle kennen eine Frau in unserem Umfeld, die davon betroffen ist. Das hat uns motiviert, die Dinge verändern zu wollen.

3) Erklären Sie uns, an welcher Innovation Sie bei FimmCyte arbeiten?

Unser Ansatz basiert auf der Immuntherapie, wir nutzen also das Immunsystem der Patientin, um die Krankheit zu bekämpfen. Das ist innovativ, denn es wäre die erste nicht-hormonelle Behandlung auf dem aktuellen Markt. Wir glauben, dass wir das geschädigte Gewebe in Zukunft entfernen können, ohne eine Operation durchführen zu müssen. 

4) Ihre Erfindung könnte das Leben von Frauen mit Endometriose also drastisch verändern...

Ja, diese Behandlung könnte ihnen mehrere chirurgische Operationen ersparen oder ermöglichen, eine allfällige operative Entfernung der Gebärmutter auf später zu verschieben, nach einer oder mehrerer Schwangerschaften. Manche Frauen müssen sich mehr als sechs Operationen in kurzer Zeit unterziehen, um ihre Schmerzen zu lindern, aber bei etwa 50 % von ihnen kommt es immer noch zu Rückfällen. Selbst die Entfernung der Gebärmutter garantiert keine vollständige Heilung, und in etwa 30 % der Fälle treten immer noch Rückfälle auf. Die Entfernung der Gebärmutter bleibt eine schwierige Entscheidung, selbst für diejenigen, die keine Kinder haben möchten. Und für diejenigen, die es wünschen und unter Unfruchtbarkeit leiden, hoffen wir, dass wir auch ihnen helfen können, ihre normale Fruchtbarkeit wiederzuerlangen.

Ein paar Regeln für ein besseres Wohlbefinden

5) Wo stehen Sie mit Ihrer Forschung und was fehlt Ihnen, um diese neue Behandlung zu entwickeln und auf den Markt zu bringen?

Zurzeit benötigen wir vor allem finanzielle Mittel, um die klinischen Studien unserer Behandlung durchzuführen, damit wir schliesslich hoffen können, sie eines Tages auf den Markt zu bringen. Wir hoffen, dass wir 2026 mit den ersten klinischen Studien starten können, um diese Behandlung dann in 8 Jahren, also erst im Jahr 2031, auf den Markt bringen zu können. Diese Art der Innovation braucht enorm viel Zeit und erfordert auch viel Geld. Um sie auf den Markt bringen zu können, braucht es noch ein Pharmaunternehmen, das sich dafür interessiert. Aber wir glauben daran und wir werden alles unternehmen, damit diese Behandlung auf den Markt kommt.

6) Sie haben vergangenes Jahr an unserem Start-up-Beschleunigungsprogramm Tech4Eva teilgenommen. Was hat Ihnen dies gebracht?

Das war sehr bereichernd, denn es gab andere Start-ups, die zum Beispiel in ihrer Entwicklung auf die gleichen Probleme stiessen wie wir. Wir erhielten viele sehr nützliche Ratschläge, wir haben viel gelernt. Und wir konnten bei Investoren an Sichtbarkeit gewinnen und auch lernen, was für sie wichtig ist, wenn sie eine Finanzierungsanfrage erhalten. Das hat uns viel gebracht und heute sind wir hinsichtlich des weiteren Vorgehens zuversichtlicher. Mehr dazu: www.tech4eva.ch 

Christelle Travelletti

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Christelle Travelletti

Projektleiterin Kommunikation

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