Psychische Gesundheit: weg mit Tabus und Vorurteilen

18. September 2023 | Kommentar(e) |

Dr.Carole Nielsen

Die Medien befassen sich zunehmend mit dem Thema psychische Gesundheit. Dennoch bleibt es ein Tabuthema, besonders in der Arbeitswelt.

Christine (Name anonymisiert), 45 Jahre, hat dies am eigenen Leib erfahren müssen. Während sie an einer leichten Depression litt, die zu einer sechsmonatigen Krankschreibung führte, wurde ihr von ihrem Team Folgendes zugetragen: Einige ihrer Kolleginnen und Kollegen schienen zu glauben, dass sie gar nicht wirklich krank sei und ihre Krankschreibung ausnutze, um zusätzliche Ferientage zu haben.

Überblick und Lösungsansätze mit Dr. Tarek Bdeir Ibanez, Facharzt für Psychiatrie FMH.

Herr Doktor Bdeir Ibanez, in Ihrer Berufspraxis begegnen Sie Menschen, die sich in ähnlichen Situationen befinden wie Christine. Was würden Sie skeptischen Kolleginnen und Kollegen oder misstrauischen Vorgesetzten gerne antworten?

Dr. Bdeir Ibanez: Im Gegensatz zu einer körperlichen Erkrankung oder einer Operation sind psychische Erkrankungen nicht sichtbar. Das kann bei Kolleginnen und Kollegen oder Vorgesetzten Misstrauen hervorrufen.

Zudem erleben die Patientinnen und Patienten, denen ich begegne, in der Regel Scham- und Schuldgefühle. Es ist wichtig, sich bewusst zu machen, dass psychische Erkrankungen wirklich Erkrankungen sind und nichts mit dem Willen der Betroffenen zu tun haben.

Was würden Sie Christine hinsichtlich der Kommunikation mit ihrem Team und ihrem Vorgesetzten oder ihrer Vorgesetzten raten?

Zunächst einmal würde ich sagen, dass die Betroffene nicht gezwungen ist, ihre Situation näher zu erläutern. Sie darf vage bleiben und kann beispielsweise sagen, dass sie gerade eine schwierige Zeit durchmache, aber alles unternehme, damit es ihr wieder besser gehe. Ist die Therapie dann gut etabliert und fühlt sich die Betroffene ein wenig besser, kann sie, wenn sie das möchte, in ihrem beruflichen Umfeld auch etwas ausführlicher über ihre Erkrankung sprechen. Dabei ist zu beachten, dass es in solchen Phasen vor allem darum geht, sich auf sich selbst zu konzentrieren und Schuldgefühle abzulegen.

Derzeit ist viel von der Sensibilisierung der Gesellschaft für psychische Gesundheit die Rede. Wie können Unternehmen das Thema unter den Mitarbeitenden angehen?

Sensibilisierungskampagnen lassen sich über unterschiedliche Kanäle das ganze Jahr über organisieren. Dadurch würde allen bewusst werden, dass psychische Probleme prinzipiell jede Person zu jeder Zeit betreffen können.

Übrigens leiden bis zu 60 Prozent der Bevölkerung an einer psychischen Störung oder werden in ihrem Leben einmal darunter leiden.

Schlüsselrolle der Vorgesetzten

In Sachen Gesundheitsschutz kommt Vorgesetzten eine wichtige Rolle zu. Einerseits sollten sie Personen mit psychischen Störungen mit Wohlwollen begegnen und andererseits ein gutes Arbeitsklima fördern. Es ist somit ihre Aufgabe, mögliche Mutmassungen des Teams hinsichtlich der Berechtigung einer Abwesenheit einzudämmen und dafür zu sorgen, dass es wenig Raum dafür gibt, über jemanden zu urteilen.

Um unangenehme Situationen für die Betroffenen und das Team zu vermeiden, sollten Vorgesetzte direkt bei Arbeitsbeginn für ein gesundes Arbeitsklima, ein Vertrauensverhältnis und eine transparente Kommunikation sorgen.

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Spezialistin für betriebliches Gesundheitsmanagement

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