Die Schweiz darf keine Hochpreisinsel im Gesundheitswesen sein

26. April 2023 | Kommentar(e) |

Geneviève Aguirre-Jan

Die Kosten für Laboranalysen im ambulanten Bereich machen einen beträchtlichen Teil der OKP-Gesamtkosten aus (2019 rund 5%). Laut einer Studie des Preisüberwachers im März 2022 liegen die Preise für Laboranalysen in der Schweiz deutlich über denjenigen in Frankreich und Deutschland (2,3- bis 4,5-mal höher).

Im März 2022 verglich der Preisüberwacher die zehn medizinischen Analysen, die die höchsten Kosten verursachen und aufgrund ihrer Häufigkeit 25 Prozent der Bruttokosten aller medizinischen Analysen ausmachen. Er stellte fest, dass im internationalen Vergleich die Preise in der Schweiz deutlich höher sind: 2,3-mal teurer in spezialisierten Labors und 4,5-mal teurer in Arztpraxen. Während insgesamt alle Preise höher sind als im Ausland, sind einzelne Preise unverhältnismässig teurer (z. B. kostet ein kleines Blutbild in einer Schweizer Arztpraxis 31-mal mehr als in Deutschland).

Die staatliche Lösung ist nicht immer die beste

Im ambulanten Bereich sind die von der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP) übernommenen Analysen in der sogenannten Analysenliste aufgeführt. Das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) führt diese Liste, legt deren Inhalt und die Tarife fest.

Eine reguläre Revision der Tarifstruktur ist Grundvoraussetzung für fair kalkulierte Preise. Derzeit tut sich der Staat jedoch mit der Durchführung schwer. So gab es in der Vergangenheit nur zwei Revisionen (2009 und 2015). Derzeit ist die dritte Tarifrevision für alle Analysen, die 2020 begonnen wurde, noch in Arbeit. Um rasch eine Einsparung der von der OKP übernommenen Kosten für Analysen zu erreichen, hat das EDI im August 2022 eine lineare Preissenkung von 10 Prozent verfügt. Diese gilt bis zum Abschluss der Revision der Analysenliste.

Preisverhandlungen durch die Tarifpartner ist die Zukunftslösung

Aktuell sieht ein in die Vernehmlassung gegebener Gesetzesvorentwurf vor, die Zuständigkeit für die Tarifverhandlungen medizinischer Analysen den Tarifpartnern zu übertragen, d. h. den Versicherern und Laboratorien, bzw. den jeweiligen Dachverbänden. Die Preisgestaltung für Analysen würde auf Partnerschaftsbasis erfolgen und der Wettbewerb wäre ein kostendämpfender Faktor. Das EDI bliebe lediglich für die Anordnung der Analysen zuständig, die aufgelistet werden müssen.

Erfolgreiche Preisverhandlungen der Tarifpartner erfordern Kostentransparenz, damit die Preise möglichst fair festgelegt werden können, sowie ein gemeinsames Interesse für den Verhandlungserfolg. Der Wettbewerb ist in dieser Hinsicht ein geeigneter Katalysator. Allerdings wird er durch den Vertragszwang stark beeinträchtigt, denn er bietet den Parteien keinen Anreiz für eine Einigung. Die Preisverhandlungen der Tarifpartner sollten daher durch die Einführung der Vertragsfreiheit zwischen Versicherern und Labors ergänzt werden.

Aber reicht das aus?

In seiner Studie vom März 2022 hält der Preisüberwacher fest, dass die Grösse der Labors ein wichtiger Faktor für tiefe Preise ist. In grossen Strukturen können Analysen zu wirtschaftlicheren Preisen durchgeführt werden. Der Bereich der Analysen umfasst hierzulande jedoch zahlreiche Einheiten: 7000 Laboratorien in Privatpraxen, 50 private Laboratorien und nicht zu vergessen die Spitallaboratorien.

Es stellt sich also die Frage, ob zusätzliche Einsparungen durch einen Strukturwandel im Bereich der Laboranalysen möglich wären, indem grössere und effizientere Einheiten geschaffen werden. Ein solcher Wandel lässt sich jedoch nicht von heute auf morgen herbeiführen.

Die Preisgestaltung durch die Tarifpartner statt durch den Staat sowie die Einführung der Vertragsfreiheit sind wichtige Hebel, um eine flexible Reorganisation des Bereichs der medizinischen Analysen zu bewirken.

Wie bedeutend und nachhaltig die Kosteneinsparungen sind, ist abhängig vom Umfang der umgesetzten Massnahmen. Tarifrevisionen sind nur dann sinnvoll, wenn sie regelmässig durchgeführt werden. Wenn sie allerdings mit einer Lockerung des Vertragszwangs einhergehen, werden sie zu einem relevanten Instrument, um die Akteure zu tiefergehenden Veränderungen zu bewegen. Der Dialog zwischen den Tarifpartnern bleibt der Schlüssel für einen sanften und einvernehmlichen Übergang.

Geneviève Aguirre-Jan

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Generalsekretariat, Bereich Gesetzgebung

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