Krankenversicherer setzen sich für moderate Gesundheitskosten ein

27. Oktober 2023 | Kommentar(e) |

Geneviève Aguirre-Jan

So richtig hat sich das elektronische Patientendossier (EPD) im Gesundheitswesen noch nicht etabliert. Der Bundesrat schlägt nun eine Reihe von Massnahmen vor, um den Einsatz des EPD durch Leistungserbringer und Patienten gezielt und rasch zu fördern.

Das Bundesgesetz über das elektronische Patientendossier, das am 1. Januar 2017 in Kraft trat, sah vor, den Einsatz des elektronischen Patientendossiers in Akutspitälern und Rehabiliationskliniken sowie im stationären psychiatrischen Bereich ab Frühjahr 2020 verbindlich vorzuschreiben. Die Umsetzung bei den Gesundheitseinrichtungen ist jedoch aufwändiger als gedacht und das Interesse auf Patientenseite gering. So gab es im April 2023 gerade einmal knapp 20 000 offene EPD. Die Kantone ihrerseits reagierten mehr oder weniger positiv auf das EPD und investierten unterschiedlich viel in seine Umsetzung.

Diese Umsetzungslücken sind das Ergebnis einer Rechtsgrundlage, die die Implementierung des EPD weitgehend dem Ermessen der beteiligten Parteien überliess. Um dies zu ändern, hat der Bundesrat im Rahmen einer umfassenden Revision des EPD verschiedene wichtige Änderungen vorgeschlagen.

Das EPD wird zu einem Instrument der sozialen Krankenversicherung

Der Bundesrat hat die Verfassungsgrundlage erweitert, indem er das Gesetz über das elektronische Dossier auch auf Art. 117 der Bundesverfassung stützt. Damit kann er nun auch in die Umsetzung des EPD eingreifen.

Den Einsatz des EPD fördern

Der Einsatz des EPD wird ausgeweitet, damit es sich bei den verschiedenen Anspruchsgruppen etabliert.

  • Für Patienten: Neu soll für jede KVG-versicherte Person automatisch ein EPD eröffnet werden, sofern er oder sie nicht darauf verzichtet. In diesem Fall wird der Verzicht in einem kantonal geführten Register eingetragen. Der oder die Versicherte kann diese Entscheidung jederzeit rückgängig machen.
  • Für Gesundheitsfachpersonen: Leistungserbringer, die zulasten der Krankenpflegeversicherung abrechnen dürfen, sind verpflichtet, die EPD ihrer Patienten zu verwenden. Überwacht wird dies durch die Kantone.
  • Für Krankenversicherer: Sie haben weiterhin keinen Zugriff auf das EPD, können jedoch administrative Dokumente, die in Zusammenhang mit der obligatorischen oder der Zusatzversicherung stehen, mit Zustimmung des Patienten darin ablegen.

Immer mehr Inhalte

Inhaltlich ist das EPD weiterhin eine Sammlung von Unterlagen und elektronischen Daten rund um die Gesundheit der Patienten. Dennoch sollen in naher Zukunft strukturierte und laufend aktualisierbare Dokumente darin abgelegt werden können.

Ende 2023 wird beispielsweise der Impfausweis ins EPD aufgenommen, bevor in einem nächsten Schritt auch Medikationspläne folgen. Es gilt zu beachten, dass die Versicherten via Gesundheits-Apps auf ihre Daten zugreifen können. Dort können sie auch ihre eigenen Gesundheitsdaten hinterlegen.

Datenschutz «à la carte»

Über den Zugriff auf EPD-Daten bestimmen die Patientinnen und Patienten selbst. Sie können unter anderem:

  • den Zugriff der Leistungserbringer auf gewisse Daten einschränken, auch im Notfall;
  • der Verwendung der EPD-Daten zu Forschungszwecken zustimmen oder diese ablehnen.

    Die Patienten können in keinem Fall gezwungen werden, die im EPD gespeicherten Daten zugänglich zu machen.

Ein Tool für die Gesundheit

Die Sammlung von Daten rund um die Gesundheit des Patienten soll Ärzte in der Wahl von Therapiemassnahmen unterstützen und so ein «intelligenteres Gesundheitswesen» («smarter medicine») fördern und Verschwendung verhindern.

Die Verpflichtung zur Verwendung des EPD für Gesundheitsfachpersonen, die zulasten der sozialen Krankenversicherung abrechnen, ist sinnvoll. Sie ermöglicht die Einführung des EPD bei den wichtigsten Leistungserbringern bei der Erstellung des Behandlungspfades der Patienten. Die Krankenversicherer hingegen sollten keine Verwaltungsdokumente im EPD speichern können, da sie bereits über eigene Anwendungen verfügen, um die Übermittlung der Dokumente an ihre Versicherten zu gewährleisten. Die Öffnung des EPD für Krankenversicherer, so begrenzt sie auch sein mag, kann bei den Versicherten nur Besorgnis und Fragen hervorrufen.

Die automatische Eröffnung eines EPD für KVG-Versicherte ermöglicht eine umfassende Verbreitung des Instruments. Versicherte, die sich für ein Versicherungsmodell entschieden haben, das die Wahl der vom Versicherer bestimmten Leistungserbringer auf die günstigsten Leistungen beschränkt, sollten die Einrichtung eines EPD jedoch nicht ablehnen können, wenn die Versicherungsbedingungen dies vorsehen. Es ist inkohärent, ein Versicherungsmodell zu wählen, das kostengünstige Leistungen anbietet, aber gleichzeitig die Nutzung eines Instruments zur Senkung der Gesundheitskosten abzulehnen.

Qualität wird zum Standard – trotzdem sind weitere Anstrengungen erforderlich

Seit April 2021 schliessen Versicherer und Leistungserbringer Qualitätsverträge ab, die die Dienstleister dazu verpflichten, die versicherten Leistungen effizient, kostengünstig und in der erforderlichen Qualität zu erbringen.

Leider kommt es immer noch zu oft zu einer Überversorgung, die unnötige Kosten verursacht. Die Groupe Mutuel setzt sich deshalb auch für die Einführung von Vergütungsmodellen im Schweizer Gesundheitssystem ein, die sich an der nutzenbasierten Gesundheitsversorgung («Value-Based Healthcare») orientieren und sich in anderen Ländern bewährt haben.

Der Abbau des Leistungskatalogs ist ein Tabuthema, das allmählich zögerlich diskutiert wird. Dies könnte ein vielversprechender Weg sein. Die konkrete Umsetzung bleibt aber sehr schwierig, da bei der Neudefinition der von der Krankenpflegeversicherung gedeckten Mindestleistungen ein Konsens erzielt werden muss.   

Wie sieht die Zukunft des EPD aus?

Das EPD soll zu einem der wichtigsten Tools des Gesundheitswesens werden, obschon es noch zahlreiche Hürden zu überwinden gibt, wie beispielsweise 

  • die Authentifizierung der Nutzer und die Identitätsverwaltung
  • die Suche und die Archivierung von Dokumenten oder
  • die Entwicklung benutzerfreundlicher Interfaces

Aktuell werden seitens Leistungserbringern Forderungen laut, wonach die Nutzung des EPD Anrecht auf eine zusätzliche Vergütung zulasten der obligatorischen Krankenversicherung gibt. Sollte der Gesetzgeber dieser Forderung wider Erwarten nachkommen, würde dies zu höheren Gesundheitskosten führen. Dies wäre jedoch gänzlich vermeidbar, denn die Verwaltung von Gesundheitsdaten ist bereits im Rahmen der Tarife abgegolten. Daher ist eine solche Forderung strikte abzulehnen. Zudem können die Kosten für die Einrichtung und den Betrieb des EPD nicht den Prämienzahlern aufgebürdet werden. Es liegt in der Verantwortung der Bundes- und Kantonsbehörden, diese Kosten zu tragen.

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Geneviève Aguirre-Jan

Generalsekretariat, Bereich Gesetzgebung

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