Massnahmen zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen
20. November 2025 | Kommentar(e) |
Luca Strebel
Um das Kostenwachstum im Gesundheitswesen zu dämpfen, hat Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider einen Runden Tisch aller Akteure ins Leben gerufen. An seiner dritten Ausgabe am 27. Oktober 2025, haben sich die Vertreterinnen und Vertreter von Kantonen, Ärzteschaft, Spitälern, Krankenversicherern, Pharmaindustrie, Patientenorganisationen, Wissenschaft und Preisüberwachung auf konkrete Massnahmen geeignet, die Einsparungen von mindestens 303 Millionen Franken jährlich bringen sollen. Einige dieser Massnahmen betreffen die Krankenversicherer direkt.
Die Expertengruppe aus allen Vertretern des Gesundheitswesens hat seit November 2024 Vorschläge erarbeitet, wie die steigenden Gesundheitskosten gebremst werden können. Jede Branche musste dabei Massnahmen vorschlagen, die auch sie selbst betreffen. Die Krankenversicherer wurden von prio.swiss als Branchenverband am Runden Tisch vertreten. Auch die Groupe Mutuel hat sich in diesem Prozess aktiv eingebracht.
Nun wurden zwölf Massnahmenfelder mit kurz- und mittelfristig umsetzbaren Vorschlägen definiert, die nun umgesetzt werden sollen.
Die wichtigsten Massnahmen im Überblick
- Durchsetzung von Health Technology Assessments (HTA): Empfehlungen zu medizinischen Leistungen werden konsequenter umgesetzt, z.B. weniger unnötige Schilddrüsen- und Vitamin-B12-Tests oder bestimmte Schulteroperationen nur noch bei klarer Indikation. Einsparpotenzial: 25 Mio. CHF/Jahr.
- Effizientere Preismodelle für Medikamente: Rückforderungen bei Rabattvereinbarungen werden vereinfacht und digitalisiert. Einsparpotenzial: 20 Mio. CHF/Jahr.
- Förderung der Ambulantisierung: Mehr Behandlungen sollen ambulant statt stationär erfolgen. Die Liste „Ambulant vor Stationär“ wird erweitert. Einsparpotenzial: 5 Mio. CHF/Jahr.
- Einsparungen bei der Mittel- und Gegenständeliste (MiGeL): Mietpreise für medizinische Geräte wie CPAP werden gesenkt, Kaufoptionen geprüft und Preise regelmässig aktualisiert. Einsparpotenzial: 7 Mio. CHF/Jahr.
- Förderung von Generika und Biosimilars: Ärztinnen und Ärzte sowie Spitäler setzen verstärkt auf günstigere Alternativen. Patientinnen und Patienten werden gezielt informiert, um den erhöhten Selbstbehalt zu vermeiden.
- Förderung von „smarter medicine“: Über- und Fehlversorgungen werden reduziert, z.B. durch Top-5-Listen der Fachgesellschaften und gezielte Kommunikation.
- Labore: Die Auftragspauschale wird gesenkt, auf „fees for service“ wird verzichtet. Einsparpotenzial: 85 Mio. CHF/Jahr.
- Information der Versicherten: Versicherte werden direkt über Sparmöglichkeiten informiert, z.B. beim Bezug von Originalpräparaten. Einsparpotenzial: 25 Mio. CHF/Jahr.
- Reduktion von Papierrechnungen: Digitale Rechnungen werden Standard, Papierrechnungen verursachen künftig Zusatzkosten für Leistungserbringer. Einsparpotenzial: 36 Mio. CHF/Jahr.
- Schärfung des Kostenbewusstseins: Mehr Transparenz und Kommunikation zu Kostenentwicklung und Systemwissen.
- Verwaltungskosten der Versicherer: Die Versicherer verpflichten sich, ihre Verwaltungskosten um 2% zu senken. Einsparpotenzial: 40 Mio. CHF/Jahr.
- Weitergabe von Rabatten: Rabatte und Vergünstigungen bei Medikamenten und Medizinprodukten müssen konsequent an die Versicherten weitergegeben werden. Einsparpotenzial: 60 Mio. CHF/Jahr.
Was bedeutet dies für die Krankenversicherer und die Groupe Mutuel?
Einige der Massnahmen betreffen die Krankenversicherer direkt:
- Information der Versicherten
Im Rahmen des 2. Kostendämpfungspaketes, welches vom Parlament dieses Jahr verabschiedet wurde, erhalten die Versicherer die Möglichkeit, ihre Versicherten gezielt über kostengünstigere Leistungen, alternative Versicherungsmodelle und Präventionsmöglichkeiten zu informieren (Art. 56a KVG). Diese Möglichkeit soll nun bereits per Juli 2026 in Kraft treten und als erste Massnahme sollen Versicherer Kundinnen und Kunden kontaktieren, die durch den Bezug eines Originalpräparats einen erhöhten Selbstbehalt bezahlt haben. Diese sollen darauf aufmerksam gemacht werden, dass ein erheblich günstigeres, wirkstoffidentisches Medikament zur Behandlung derselben Krankheit verfügbar ist und damit den Bezug von Generika fördern.
Weitere Kontaktmöglichkeiten, wie zu alternativen Versicherungsmodellen oder präventiven Massnahmen, sind zudem explizit erwünscht.
- Verwaltungskosten der Versicherer
Die Krankenversicherer verpflichten sich, den Verwaltungsaufwand durch Effizienzmassnahmen und strategische Entscheide zu Lasten der OKP spätestens bis 2027 um 2% der im Jahr 2025 ausgewiesenen Verwaltungskosten zu reduzieren. Dies entspricht branchenweit 40 Millionen Franken.
Die Versicherer verpflichten sich ausserdem die Versandkosten zu senken, insbesondere im Austausch mit den Leistungserbringern und anderen Akteuren. Auch gegenüber den Versicherten sollen breite Sensibilisierungsmassnahmen ergriffen werden, um die digitale Kommunikation zu fördern. - Reduktion von Papierrechnungen
Ab dem 1. Juli 2026 sollen digitale Rechnungen als Standard gelten. Für Papierrechnungen wird eine fünfjährige Übergangsfrist gewährt, während der die Mehrkosten (rund 3 Franken pro Papierrechnung) von den Leistungserbringern getragen werden müssen. Ziel ist eine effizientere und schnellere Verarbeitung von Rechnungen sowie eine Entlastung der Versichertengemeinschaft von unnötigen Zusatzkosten.
- Weitergabe von Rabatten
Beim Einkauf von Heilmitteln (Arzneimittel und Medizinprodukte) können die Leistungserbringer (z.B. Ärztinnen und Ärzte, Spitäler, Apothekerinnen und Apotheker) Vergünstigungen in Form von Rabatten und Rückvergütungen erhalten. Nun sollen Massnahmen ergriffen werden, damit die Weitergabepflicht der Vergünstigungen umfassender als bis anhin umgesetzt wird. Dazu gehören neue bzw. umfassendere Vereinbarungen mit Ärzten, Spitälern und Apotheken, die die Weitergabe von Rabatten regeln und die Qualität der Versorgung verbessern sollen.
Wie geht es weiter?
Die Umsetzung der Massnahmen startet ab 2026. Viele Vorschläge können ohne Gesetzesänderung direkt von den Akteuren umgesetzt werden. Die Groupe Mutuel hat sich bereits seit einiger Zeit für eine branchenweite Zusammenarbeit eingesetzt, um den Anstieg der Gesundheitskosten zu bremsen. Sie begrüsst die Arbeit des Runden Tisches und deren konkrete Massnahmen, die in vieler Hinsicht bereits unseren strategischen Zielsetzungen entsprechen.
Ebenso klar ist aber, dass der Einsatz zugunsten unserer Versicherten und die Arbeit auf politischer Ebene für eine nachhaltige Dämpfung der Gesundheitskosten weitergehen muss. Die Groupe Mutuel wird die Umsetzung der Ergebnisse des Runden Tisches sowie die politischen Anstrengungen für weiterreichende Lösungen deshalb weiterhin aktiv begleiten.