Die Kantone im Rollen-Konflikt: Matchanalyse

25. Juni 2021 | Kommentar(e) |

Miriam Gurtner

Die „EURO 2020“ ist in vollem Gange. Man stelle sich vor, bei einem der anstehenden Fussballspiele sei jemand gleichzeitig Trainer, Spieler, Sponsor und Schiedsrichter. Unmöglich? Genau dies ist aber die Realität im Gesundheitswesen, wo die Kantone all diese Rollen innehaben. Wir stellen diese hier vor.

Der Trainer - Der Versorgungsplaner

Gestützt auf Art. 39 des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung (KVG) sind die Kantone für die bedarfsgerechte Spitalversorgung verantwortlich. Sie erstellen Spitallisten und vergeben dafür Leistungsaufträge. Sie sagen also, wer „auf welcher Position spielen darf“. Seit Kurzem sind sie auch vollumfänglich für die Zulassung von ambulanten Leistungserbringern zuständig und bestimmen so, wer bei der medizinischen Versorgung zum Einsatz kommt.

Der Spieler – Der Wirtschaftsförderer

Der Gesundheitssektor ist zu einem wichtigen Wirtschaftszweig herangewachsen. Dementsprechend sind die Kantone nicht davor gefeit, Entscheide im Zusammenhang mit der Spitalplanung beeinflusst durch regional- und wirtschaftspolitische Sachverhalte zu treffen. Bewusst oder unbewusst kann es so dazu kommen, dass der Kanton selber als Spieler in den Wettbewerb eingreift.

Der Sponsor - Der Finanzierer

Auch als Finanzierer spielen die Kantone eine wichtige Rolle. Neben der Mitfinanzierung der stationären Leistungen, sowie der Prämienverbilligungen finanzieren die Kantone häufig durch verdeckte Subventionen die Infrastrukturinvestitionen und Defizite der öffentlichen Spitaleinrichtungen mit. Zudem tragen sie die Kosten für Lehre und Forschung sowie für die gemeinwirtschaftlichen Leistungen. Dies kann zu Wettbewerbsverzerrungen führen, welche einen Einfluss auf die „Tabelle“ haben können.

Der Schiedsrichter - Die Genehmigungs- und Festsetzungsbehörde

Im Rahmen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung kommt den Kantonen die Kompetenz der Tarifgenehmigung zu. Die Tarifpartner sind verpflichtet, die im Spitalbereich partnerschaftlich vereinbarten Tarife den Kantonen zur Prüfung und Genehmigung zu unterbreiten. Falls sich die Tarifpartner nicht gütlich einigen können, können diese an den Kanton gelangen, der als Schiedsrichter den Tarif festsetzt.

Die vielen Rollen führen zu Interessenskonflikten

Neben den oben aufgeführten Rollen sind die Kantone zudem Eigentümer der öffentlichen Spitäler. All diese Rollen führen dazu, dass die Entscheide der Kantone im Spannungsfeld von verschiedenen Interessen erfolgen. Diese Interessenkonflikte beeinträchtigen in vielen Kantonen den im Krankenversicherungsgesetz vorgesehenen regulierten Wettbewerb.

Konzentration auf Versorgungssicherheit

Grundsätzlich sollten die Kantone sich darauf beschränken, die Mindestversorgung im stationären Spitalbereich sicherzustellen, die Forschung und Ausbildung zu finanzieren sowie die gesundheitspolizeilichen und sozialpolitischen Aufgaben (Prämienverbilligung mit Mitfinanzierung aller ambulanten und stationären Leistungen) wahrzunehmen.

Als Verantwortliche für die bedarfsgerechte Versorgung ihrer Einwohner sollten die Kantone im stationären Bereich die Erteilung von Leistungsaufträgen von transparenten und nachvollziehbaren Qualitätsindikatoren abhängig machen.

Um zurück zur EURO zu kommen: Die Kantone sollten die Rahmenbedingungen für die Spiele definieren und für Fair Play sorgen. Den Rest sollten sie den Tarifpartnern, respektive dem Wettbewerb überlassen.

Miriam Gurtner

Autor(in)

Miriam Gurtner

Leiterin Public Affairs, Generalsekretariat

Alle Posts von Miriam Gurtner ansehen

gefällt mir

gefällt mir

Kommentar(e) ()

kommentieren

Das könnte Sie ebenfalls interessieren

Groupe Mutuel

Rue des Cèdres 5 Case postale, 1919 Martigny    |    +41 0848.803.111

Uns folgen

Teilen

Aimez

commentez