Die Revisionen der Grundversicherung generieren zu selten Kosteneinsparungen

07. März 2023 | Kommentar(e) |

Geneviève Aguirre-Jan

Die obligatorische Krankenpflegeversicherung (OKP) unterlag (und unterliegt nach wie vor) zahlreichen Revisionen – mehr als zwanzig seit 2012 –, doch die Problematik der ständig steigenden Gesundheitskosten ist damit nicht wirklich gelöst. Die Lösungen tendieren zu einer Verstaatlichung des Gesundheitsbereichs, mittels verstärkter staatlicher Kontrollen, bei denen die erwarteten Kosteneinsparungen allerdings nur schwer messbar sind.

Am 1. Januar 1996 wurde das allgemeine System der obligatorischen Krankenpflegeversicherung eingeführt. Es zielte vor allem darauf ab, die Solidarität zwischen den Versicherten zu verstärken und die Kosten zu kontrollieren. Dieses neue System setzte auf Vertragsfreiheit zwischen den Tarifpartnern, einen möglichst freien Wettbewerb zwischen den Versicherungsanbietern sowie auf die Eigenverantwortung der Versicherten. Im Lauf der Zeit wurden das KVG und seine Anwendungsverordnungen mehrfach abgeändert. Eine Übersicht der erfolgten oder laufenden Revisionen zeigt jedoch, dass die Änderungen nur selten ermöglichten, die Problematik der Kostenkontrolle anzugehen.

Die Einführung von Qualitätszielen im Jahr 2021 hat sich hinsichtlich der erwarteten Kosteneinsparungen noch nicht bewährt. Ferner zeigt sich, dass die erwarteten Kosteneinsparungen dank der Einführung eines Kostenziels, das aktuell im Parlament diskutiert wird, nur schwer messbar sind. Nur die Revisionen, welche die Tarifierung direkt betreffen (zum Beispiel die Senkung der Tarife für Laboranalysen um 10%), haben einen realen und unmittelbaren Einfluss auf die Kosten.

Neue Leistungen und neue Leistungserbringer

Der Katalog des KVG wird regelmässig durch neue Leistungen erweitert, und es werden neue Leistungserbringer zugelassen, die zulasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung abrechnen.

Zur Tätigkeit zulasten der sozialen Krankenpflegeversicherung zugelassen wurden: Neuropsychologinnen und Neuropsychologen (2017), Podologinnen und Podologen (2022), psychologische Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten (2022). Ab 2022 wurde der Vergütungsanspruch für Pflegematerial erweitert. Schliesslich ermöglicht die Pflegeinitiative, die 2021 vom Volk und den Kantonen angenommen wurde, dem Pflegepersonal, bestimmte Leistungen direkt zulasten der obligatorischen Versicherung abzurechnen.

Staatliche Lösungen werden vertraglichen Vereinbarungen vorgezogen

Die Rolle des Bundes und der Kantone wird durch neue Kompetenzen gestärkt. So können die Kantone ab Juli 2023 die Zulassung von ambulant tätigen Ärztinnen und Ärzten beschränken. Die Steuerung der Zulassungen neuer Arztpraxen hätte jedoch durch eine Lockerung des Vertragszwangs erfolgen können, die von den Krankenversicherern vorgeschlagen worden war. Diese Lösung wurde mit der Begründung zurückgewiesen, dass ihre Umsetzung langwierige Verhandlungen erfordere.

Tarifmassnahmen als effiziente Lösungen

Die Tarifmassnahmen, die sich auf die Vergütung auswirken, sind besser dazu geeignet, eine unmittelbare Wirkung in Form von Kosteneinsparungen herbeizuführen. Das Parlament hat dies in Bezug auf die Festlegung der Tarife für Analysen verstanden. Es forderte den Bundesrat auf, einen Vorschlag in die Vernehmlassung zu schicken, wonach die Tarife für die Analysen nicht mehr durch das EDI, sondern die Tarifpartner festgelegt würden, so wie bei den ambulanten ärztlichen Leistungen. Dabei geht es darum, offensichtlich überhöhte Tarife für bestimmte Analysen zu bekämpfen und dadurch eine halbe Milliarde einzusparen.

Der Bundesrat stellt sich gegen diese Kompetenzübertragung.

Fazit

  • In Anbetracht der Revisionen der vergangenen zehn Jahre und der laufenden Revisionen scheint sich die obligatorische Krankenpflegeversicherung nicht an sehr überzeugenden Massnahmen zur Kostenkontrolle zu orientieren. Die staatliche Führungsrolle wird immer mehr gestärkt, ohne aber eine bessere Wirksamkeit als vertragliche Vereinbarungen aufzuzeigen.
  • Die staatlichen Kontrollmassnahmen werden bevorzugt, da sie einfacher umzusetzen sind – zum Nachteil der Tariflösungen, die hinsichtlich Kostenkontrolle effizienter sind, aber mehr Zeit für die Umsetzung erfordern.
     
  • Das System der obligatorischen Krankenpflegeversicherung wird daher ständig komplexer, ohne dass eine wirkliche Abhilfe gegen die steigenden Kosten geschaffen wird.

Geneviève Aguirre-Jan

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Geneviève Aguirre-Jan

Generalsekretariat, Bereich Gesetzgebung

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